Nichts ist so, wie es einmal war!

Nichts ist so, wie es einmal war!

Es ist Freitag, nicht etwa der 13. es ist der 21. Juni 2019, also Mittsommer. Oder auch der Längste Tag und die kürzeste Nacht im Jahr, welche so richtig gefeiert werden müssen. Das genaue Gegenstück zur Winter Sonnenwende am 21. Dezember, von wo an die Tage wieder länger werden. Es ist die lang ersehnte Sommer-Sonnenwende. Der schönste Tag im Jahr, der in ganz Skandinavien mit vielen Festen, Musik, Tanz sowie einem nicht allzu kleinen Juhannus-Feuer und etwas Alkohol gefeiert wird. Nur leider muss für dieses Jahr auf das schöne Feuerspektakel, infolge Waldbrandgefahr, verzichtet werden. Es ist ein riesiger Holzhaufen, von mindestens sechs Metern Höhe, der Durchmesser am Boden ein Mehrfaches davon. Das Feuer-verbot ist wegen Trockenheit und Waldbrand Gefahr erst vor kurzem durchgekommen. Ansonsten droht von Amtes wegen eine saftige Busse.

Ich erinnere mich, meiner früheren finnischen Frau bin ich immer etwas auf die Nerven gegangen, wenn ich sie jeweils an diesem Tag im Jahr darauf aufmerksam machte, dass es ab jetzt Tag für Tag nur noch bergab, dem Winter entgegen geht. Den kleinen Spass hat sie nicht so gut ertragen. Man konnte es förmlich sehen, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken floss. Das ist eben die finnische Seele, die den kurzen Sommer eher zu schätzen weiss, als den dunklen, langen, Kalten und bei Tiefschnee beschwerlichen Winter, der die nordischen Völker etwas in Melancholie verfallen lässt. Dies ist vor allem in der Volksmusik deutlich herauszuhören. Die Jahreszeiten dazwischen können den Sommer auch nicht ersetzen, aber sie verstehen es besonders gut, eine fast zauberhafte Stimmung mit spezieller Mystik zu vermitteln. Wenn die Nebelschleier über dem See, bei langsam aufsteigender Morgensonne, sich gemächlich in den angrenzenden Wald zurückziehen, ist das schon ein faszinierendes Schauspiel. In der Frühjahrs-zeit kommen mehr und mehr die verschiedenen Vögel, jeder mit seinem einzigartigen Sologesang hinzu. Das geht schon sehr früh in der Morgendämmerung los und wird von Minute zu Minute intensiver. Das wiederholt sich Tag für Tag, bis kurze Zeit nach Mittsommer, als ob sie wüssten, dass es nun wieder langsam der ruhigeren Jahreszeit entgegengeht.

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mich gerade ein Hauch von Melancholie erfasst hat. Kein schlechtes Gefühl, eher eine Art Mischung aus Erinnerungen, Wehmut, Dankbarkeit, Demut und Freude. Freude am bisherigen, vielfach positiven Verlauf des Lebens. Freude an meinen Kindern und nicht zu vergessen meinen treuen Begleiter namens Baloo. Und eben Er scheint meine etwas zurückgezogene Stimmung bemerkt zu haben, kommt zu mir her, schiebt seine grosse feuchte Schnauze unter meinen rechten Arm, in der Hoffnung, dass er damit meine Aufmerksamkeit auf sich lenken kann. Entsprechende Erfahrung hat er ja schon früher genügend mit seinem Einsatz sammeln können. Schlaues Kerlchen! Für ihn geht Die „Rechnung“ natürlich auf. Ich lass den Laptop, Laptop sein und kraule ihn mit meiner rechten Hand ausgiebig am Kopf. Obendrein bekommt er noch eine doppelseitige synchrone Ohren-Massage die er so liebt. Seine Augen werden dabei immer kleiner und kleiner, bis er fast einzuschlafen scheint. Dann sieht er immer so zufrieden und glücklich aus.

Viele Erinnerungen an vergangene Zeiten, schöne Erinnerungen voller Liebe, Freude, Energie, Enthusiasmus und Tatendrang, aber das ist nun vorbei. Nun sitze ich hier, alleine vor meinem Laptop, in alt bekannter und lieb gewordener Umgebung mitten im finnischen Busch und fühle trotzdem eine gewisse Leere in mir. Die Familie fehlt, das intensive Leben was damit einhergeht. Kleine Sorgen, grosse Sorgen und noch viel grössere Glücksmomente, all das ist mir jetzt so richtig klar geworden. Man lernt es erst dann richtig zu schätzen, wenn es nicht mehr vorhanden ist. Im Augenblick des Geschehens ist man irgendwie blind dafür, diese schönen Zeiten zu erkennen und richtig einzustufen. Man durchlebt sie einfach fast gedankenlos, als ob das die Normalität bis in alle Ewigkeit sein wird. Und nach dem bösen Erwachen, im Nachhinein eine Schuldfrage zu stellen, ist einfach nur müssig und erübrigt sich. Denn es ist auch klar, dass es mindestens zwei Personen oder mehr für ein desaströses Zerwürfnis braucht. Da kommt mir schon wieder ein alt bekanntes Sprichwort aus dem Volksmund in den Sinn; >>>Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte<<< Und genauso ist es auch gekommen. Allerdings bin ich der Meinung, dass es schon eine grosse Portion Arroganz und Niedertracht braucht, sich als Drittperson, selbsternannter Menschenfreund und Frauen-Versteher, in solch eine Situation einzumischen und dann auch noch voll auszunützen. Ein Charakterzug den ich niemals begreifen werde. Aber er spiegelt nachdrücklich die allgemeine Habgier des Menschen wieder. Natürlich braucht es dazu auch Personen, die leicht mit verbalem „Süssholz-Geraspel“ zu beeinflussen sind.  . . . . Aber vorbei ist vorbei, Blick nach vorn und weiter geht’s.

Ein Waldspaziergang zusammen mit Baloo bringt wieder frischen Wind in meine Gedankenwelt. Wenn ich seinem flinken Treiben zusehe, wie er durch die Büsche, dann zwischen den herumliegenden Felsbrocken und Findlingen und dann wieder im Bachbett Trittsicher und schnell herumspringen kann, erwische ich mich bei fast etwas neidischen Gefühlen, ob seiner jugendlichen Beweglichkeit. Das Alter fordert eben seinen Tribut. Dafür lenkt man seinen Blick mehr auf andere Dinge im Leben. Dinge die einem in der früheren Lebens-Hektik nie aufgefallen sind. Wenn ich zum Beispiel hier in Finnland über den See in die Ferne Blicke, habe ich das untrügliche Gefühl, einer viel klareren Wahrnehmung des dahinterliegenden Waldes zu erleben. Die Luft scheint hier sehr viel durchsichtiger zu sein, als das zuhause der Fall ist. Nicht etwa kontrastreicher, es sind die Konturen die einfach viel besser und deutlicher zu sehen, zu erkennen sind. Der gleiche Blick zuhause in die Ferne, zuerst vor und später nach einem zünftigen Regenguss. Da kannst Du etwa denselben Effekt erleben. Nur dass das hier in Finnland die alltägliche Sicht ist.

                                                                                                           

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